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Radierungen

Könnte ich das, was ich sage möchte, in entsprechenden Worten ausdrücken, dann wäre ich eine Schriftstellerin. Anders gesagt, meine Drucke und Gemälde erzählen von dem, was ich nicht in Worten fassen kann. Die Werke betreffen immer Menschen, ihre Gefühle und ihre Umstände. Oft fehlen Worte um zum eigentlichen Kern in tiefen Emotionen zu kommen. Manchmal passt nur Stille. Oder wenn über die Zukunft gesprochen wird, dann ist sie noch offen, noch nicht eingefärbt. Ich versuche meine Kompositionen so einzurichten, dass die Grenze der 'Sagbarkeit' noch gerade sichtbar ist. Aber im Grunde wird die eigentliche Geschichte erzählt in dem Weiße, in dem Teil wo kein Wort, keine Farbe oder Form ausreicht. Die leuchtenden Farben und vor allem das tiefe Schwarz sind notwendig um diese Weißtinten weißer aussehen zu lassen.

 

Ich benutze in meinen Radierungen die Technik auf eine unkonventionelle Art. In den Bildern handelt es sich nicht mehr um ein Bild der ’Wirklichkeit’, sondern um die Wirklichkeit selbst. Ich baue meine Kompositionen sorgfältig auf, lasse so viel wie möglich weg und suche bewusst den Raum außerhalb der traditionellen Rahmen. Die Darstellungen befinden sich nicht innerhalb der Abdruckplatte.


Ich brauche verschiedene Druckplatten um die im Raum ihren eigenen Platz finden zu lassen. Meine Kompositionen entstehen im Dialog mit dem Material. Vorher weiß ich nie, wie meine Radierung schließlich aussehen wird. Ich fange an mit einem bestimmten Wort oder einem  unbestimmtem Gefühl. Während des Entstehungsprozess füge ich Bildelemente hinzu oder lasse die wieder weg.

Ich arbeite lange an meine Werke, bis ich eine Gänsehaut kriege. Es ist mein Kriterium dafür, ob ein Bild fertig ist oder nicht. Als Graphikerin arbeite ich malerisch, als Malerin gerade graphisch. Die Farben und Formen, wie auch die verwendete Technik,  ergeben sich aus der zu erzählenen ’Geschichte’. Alles muss stimmen und eine Funktion haben in der Komposition. Überflüssiges muss weggelassen werden. Die Stärke liegt in der scheinbaren Einfachheit.

Erst dann steht die Größe fest. Der Maß des Passepartouts und des Rahmes stelle ich erst zum Schluss fest. Es sei denn, dass dieser schon im Voraus aus Budgetgründen protokolliert wurde.

Zu den Themen in meinen Werken gehören die (scheinbare) Flüchtigkeit der Nachrichten und die faszinierende Geschichte von meiner Wohnumgebung, dem neuen Land auf dem Meeresboden. Manchmal sorgt ein Gedicht oder sogar ein einziges nettes Wort in meinen Gedanken für eine neue Komposition. Ich bleibe meinen alten Quellen also treu: Menschen und ihrer Sprache.

© 2024 Else van Luin